Seit Mirjam Steffen im Elim arbeitet, hat sie verschiedene Rollen gehabt. Je nach Lebenssituation fand sie eine geeignete Funktion innerhalb des Hauses – oder sie wurde für sie gefunden. Damit kann Mirjam auf 13 Jahre Erfahrung als Mitarbeiterin im Elim zurückblicken. Mit uns.
Mirjam, was hat dich vor 13 Jahren motiviert, im Elim zu arbeiten?
Mich hat die doppelte Zielgruppe – also Eltern und Kind – von Anfang an interessiert. Es bedeutet, einerseits auf Augenhöhe mit Eltern zu arbeiten, sie als Expert:innen ihres Lebens zu sehen. Und gleichzeitig behalten wir das Kind, das wir schützen möchten, und dessen Bedürfnisse im Blick. Manchmal ist es herausfordernd, die Bedürfnisse dieser beiden Zielgruppen zusammenzubringen. Heute wissen wir, dass die ersten Lebensjahre eine besonders sensible Phase sind. Wenn wir die Eltern und Kinder in dieser Zeit begleiten und den Bindungsaufbau zwischen ihnen stärken können, dann hat das eine wahnsinnige Tragweite.
Wie geschieht dieser Bindungsaufbau zwischen Eltern und Kind?
Das Kind ist von Geburt an auf eine verlässliche und verfügbare Bezugsperson angewiesen. Sie gibt dem Kind die Sicherheit, die es braucht, um neugierig die Welt zu erforschen. Dafür braucht es «gelingende Eltern-Kind-Interaktionen»: Die Bedürfnisse des Kindes werden vom Elternteil wahrgenommen und gestillt. Zum Beispiel braucht das Kind Trost, die Mutter redet feinfühlig und es kommt beim Kind an. Das ist ein gelungener Moment!
Warum kann es für Eltern schwierig sein, solche Momente zu leben?
Viele Mütter, die zu uns ins Elim kommen, sind sehr belastet und gestresst. Da ist es manchmal schwierig, adäquat auf das Kind eingehen zu können. Sie sind von ihren Sorgen und Ängsten gefordert. Es ist schön zu merken, wenn sie zur Ruhe kommen und wieder die Bedürfnisse ihrer Kinder wahrnehmen und stillen können. Das gibt mir Hühnerhaut.
Warum gibt dir das Hühnerhaut?
Solche gelingenden Interaktionen haben etwas Heilsames. Die Kinder haben zum Teil viel miterlebt. Sie sind auch belastet. Es ist so heilsam, wenn sie merken, dass ihr Mami noch da ist, dass sie gesehen und gehört werden. Das kann vieles wiedergutmachen. Damit werden Grundsteine für einen gesunden Bindungsaufbau umgelegt.
Du hast in den 13 Jahren als Mitarbeiterin verschiedene Phasen durchlebt: Zwischenzeitlich bist du selbst Mutter von drei Kindern geworden. Wie hat sich das auf deine Funktionen ausgewirkt?
Man hat immer eine Lösung gesucht: Zuerst war ich als Sozialpädagogin fallführende Bezugsperson. Nach meinem ersten Kind habe ich das Arbeitspensum reduziert und den MuKi-Morgen geleitet. Nach dem dritten Kind habe ich nochmals reduziert und da konnte ich Daniel in der Leitung als «rechte Hand» unterstützen. Vor vier Jahren habe ich zusammen mit Rahel Kunz die Co-Leitung für den Standort Wasen übernommen, und heute ist Daniela Glanzmann meine stellvertretende Leiterin. Da die Kinder grösser sind, konnte ich mein Pensum wieder erweitern.
Warum bist du über eine so lange Zeit im Elim geblieben?
Mich halten die christlichen Grundwerte und auch die hohe Professionalität. Die christliche Grundhaltung stülpen wir nicht über alles, aber sie prägt unsere Arbeitsatmosphäre. Wir arbeiten auf Augenhöhe mit den Müttern, das ist ein Grundanliegen. Ich kann mich an eine Aussage von Daniel Berger erinnern, die ihm in einem Gespräch mit einer Klientin bewusst wurde: «Ich könnte genauso gut auf der anderen Seite des Tisches sitzen.» Dieser Satz und die Haltung dahinter begleiten mich noch heute, wenn ich in die Gespräche mit den Müttern gehe. Was mir auch wichtig ist: Wir richten uns bewusst auf die gelingenden Momente aus. Der Lösung wird es egal sein, was das Problem genau war. Deshalb fokussieren wir uns nicht auf die Probleme, sondern auf Lösungen.
Kannst du da ein konkretes Beispiel machen?
Oft geht es zum Beispiel um die Haushaltsführung, die nicht mehr kindgerecht ist. Wir könnten darauf zeigen, was alles nicht stimmt: Es ist schmutzig, der Kühlschrank überquillt, es hat keine sauberen Kleider. Oder wir können fragen: Was braucht dein Kind, um sich wohl zu fühlen? Wie schaffst du es, den Haushalt kindgerecht aufrechtzuhalten? Dann begleiten wir die Mütter ganz konkret, falten zusammen die Wäsche, machen einen Haushaltsplan oder schreiben Schubladen an.
Du hast erwähnt, dass die christlichen Grundwerte die Arbeitsatmosphäre prägen. Wie zeigt sich das unter den Mitarbeitenden?
Ich glaube, das zeigt sich in unserer wertschätzenden Grundhaltung und unserer Fehlerkultur: Wir dürfen einen Bock schiessen und tragen es einander nicht nach. Wir schauen es miteinander an und gehen dann weiter und lassen es los. Ganz allgemein ist unser Menschenbild geprägt vom christlichen Denken: Der andere gibt sein Bestes, hat aber Schwächen und Macken, die ich annehmen kann.
Du hast auch gesagt, die Professionalität sei dir wichtig. Wie stellt ihr die sicher?
Indem wir nicht das Gefühl haben, dass wir den Dreh raushaben. Wir sind lernbereit und wollen uns weiterentwickeln mit Weiterbildungen. Zudem pflegen wir eine gesunde Feedbackkultur.
Was bestätigt dich darin, dass sich deine Arbeit hier lohnt?
Verschiedenes, aber vor allem die Geschichten, die «gelingen»: Wenn die Eltern es schaffen, mit ihren Kindern eigenständig zu leben. Aber auch dann, wenn es für ein Familiensystem in der entsprechenden Situation eine andere Lösung braucht. Beispielsweise wenn für ein Kind eine passende Pflegefamilie gefunden wird, welche in der aktuellen Situation das Kind hauptsächlich betreut und die Eltern bestmöglich miteinbezogen werden können.
Was wünschst du dir für das Elim?
Ich wünsche mir, dass der Grundgedanke von der Hilfe für Mütter – und immer mehr auch Väter – und ihre Kinder der Fokus bleibt. Und dass der Mut auch in Zukunft da ist, dass man sich weiterentwickeln kann.